Immer wieder Medikamenten-Austausch-Ärger in der Apotheke vor Ort und § 12 SGB V

Meine Frau, Corinna SCHERFF, Inhaberin der bekannten und spezialisierten Apotheke am Sonnenwall, bat mich diese Zeilen zu verfassen, da es immer wieder und leider immer häufiger vorkommt, dass Kunden sich in der Beratung über die Aushändigung ständig wechselnder Medikamente diverser Firmen massiv und vehement beschweren. 

Der Verbraucher schiebt sozusagen der Apotheke vor Ort die Schuld in die Schuhe, dass er nicht seine „gewohnte und ihm vertraute“ Arzneimittel-Packung erhält oder in Euros zuzahlen muss. Dem ist allerdings nicht so. 

Was passiert? 

Wir Verbraucher müssen, meiner Meinung nach, endlich verstehen, dass es in unserem Gesundheitssystem nur und ausschließlich um Geld geht. 

Geregelt ist das u. a. in § 12 des SGB V, der GKV Fibel. Dort lesen wir: 

  • 12 für GKV Versicherte

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewusst oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht von sich aus eingeleitet hat.“

Allerdings: WANN ist etwas ausreichend, zweckmäßig, notwendig oder wirtschaftlich? WER kann oder möchte das beurteilen? In der Kommentierung finden wir: 

Ausreichend sind Leistungen, wenn sie nach Umfang und Qualität hinreichende Chancen für eine Heilung bieten und einen Mindeststandard garantieren. 

Zweckmäßig sind Leistungen, wenn sie zur Herbeiführung des Heilerfolgs geeignet und hinreichend wirksam sind. 

Notwendig sind Leistungen, die unentbehrlich, unvermeidlich oder unverzichtbar sind. 

Wirtschaftlich sind Leistungen, wenn die gewählte Therapie im Vergleich zu anderen ein günstiges Verhältnis von Kosten und Nutzen aufweist. 

Alleine diese Kommentierung wirft bei mir unzählige Fragen auf. 

Im Gegensatz zu Privatversicherten, die einen rechtlich verbindlichen Leistungsanspruch, resultierend aus den eingekauften Versicherungsbedingungen, haben, der übrigens nicht durch das PKV Unternehmen einseitig zum Nachteil des Versicherten verändert werden darf, müssen sich GKV Versicherte mit einem unkalkulierbaren Politikum auseinandersetzen. Der Leistungskatalog der GKV kann allerdings durch den Gesetzgeber jederzeit verändert werden. Da unsere demographische Entwicklung ein ganz klares Szenario der Zukunft aufzeigt dürfte bereits heute klar sein, wohin die Reise der GKV gehen wird. 

Die Medikamentenproblematik in der Apotheke vor Ort dient also meiner Meinung nach der klaren Kostenersparnis seitens der GKV. 

Die jeweiligen gesetzlichen Krankenkassen dürfen nämlich mit pharmazeutischen Unternehmen Preisnachlässe auf Arzneimittel vereinbaren.

Ein Grund sind also die sogenannten Rabattverträge.

Krankenkassen können mit den Pharmaherstellern Rabatte für bestimmte Medikamente aushandeln. Verschreibt der Arzt dann genau das Medikament, für das die Krankenkasse eine Preisermäßigung mit dem Pharmahersteller ausgehandelt hat, dann wird der Apotheker genau dieses Präparat an den Versicherten aushändigen. Andernfalls – und so ist es meistens – wird das verordnete Arzneimittel gegen ein Präparat mit gleichem Wirkstoff ausgetauscht, für das die Krankenkasse einen Vertrag abgeschlossen hat.

Jede Krankenkasse darf frei entscheiden, mit wem sie Rabattverträge abschließt.

Deshalb kann jemand bei gleicher Indikation – etwa Bluthochdruck oder Diabetes – ein anderes Medikament erhalten als sein Bekannter, der bei einer anderen Krankenkasse versichert ist. Auch kommt es immer wieder vor, dass das bisher verordnete und gut wirkende Mittel plötzlich ausgetauscht wird – weil die Krankenkasse inzwischen von einem anderen Unternehmen einen Preisnachlass bekommt.

Es gibt jedoch auch Ausnahmen:

Ärzte können den Medikamententausch verhindern und auch Patienten können auf ein bestimmtes Produkt bestehen, wenn sie die Mehrkosten selbst tragen bzw. der Arzt den Medikamentenaustausch durch Aut Idem- Ausschluss auf dem Rezept verhindert. Dann ist dieser Vorgang allerdings Retax-gefährdet.

Was eine Retaxation ist, lesen Sie HIER.

Oftmals handelt es sich hier um preisgünstigere Nachahmer-Präparate, sogenannte Generika, aber auch um Preisnachlässe auf Originale. Damit sollen die Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse möglichst niedrig gehalten werden. Generika enthalten übrigens die gleichen Wirkstoffe wie die Original-Medikamente und müssen hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit die Vorschriften gemäß Arzneimittelrecht erfüllen. 

Nach Aussagen meiner Frau werden die Mittel unter einem anderen Namen und in einer anderen Verpackung angeboten. Gleichzeitig können sich diese vom Originalpräparat in der Form und Farbe deutlich unterscheiden. Das trifft auch auf die in der Produktion eingesetzten Konservierungs- und Geschmacksstoffe zu. Gut zu wissen ist auch, dass die Produktionsstätten für diese Medikamente sehr häufig im Ausland zu finden sind. 

Meine Frau rät jedem Verbraucher, welcher auf bestimmte Inhaltsstoffe allergisch reagiert, seinen Arzt bei der Verschreibung eines neuen Medikaments grundsätzlich darauf hinweisen.

Patienten, die ein verschriebenes Medikament nicht vertragen, sollten ihren Arzt aufsuchen. 

Sollte der Arzt eine Unverträglichkeit feststellen, kann er ein anderes Arzneimittel aussuchen und den Austausch durch einen Vermerk auf dem Rezept ausschließen.

Rabattverträge haben auch einen Vorteil. Gesetzliche Krankenkassen können ihren Versicherten die Zuzahlungen für die rabattierten Arzneimittel erlassen. Da diesbezüglich aber bislang einheitliche Vorgaben fehlen, kann jede Krankenkasse nach eigenem Ermessen Zuzahlungen halbieren oder ganz aufheben.

Die Umstellung von Rabattverträgen auf neue Medikamente kann außerdem zu Problemen führen. So zum Beispiel wegen des logistischen Aufwands zur Belieferung der Apotheken. Allerdings muss sichergestellt sein, dass immer alle Patienten ausreichend versorgt werden können. Kann etwa ein Hersteller ein Rabattpräparat nachweisbar nicht liefern, darf die Apotheke nur eines der vier günstigsten Arzneimittel mit gleicher Stärke und Zusammensetzung des Wirkstoffs abgeben (jedoch nicht teurer als das verordnete Arzneimittel).  

Auch bei einem akuten Bedarf eines Patienten – beispielsweise in der Zeit des Apothekennotdienstes – kann der Patient ein anderes Medikament bekommen, wenn das Präparat mit dem vereinbarten Nachlass nicht sofort verfügbar ist.

Das Gleiche gilt auch dann, wenn der Arzt ein spezielles Präparat aufschreibt – aber auf dem Rezept das Aut-idem Feld in der linken Spalte frei lässt. 

In medizinisch begründeten Ausnahmefällen kann der Arzt auf ein ganz bestimmtes Präparat bestehen und den Austausch in der Apotheke verhindern. Dazu muss er das Aut-idem-Kästchen auf dem Rezept durchstreichen.

Bei einigen wenigen Medikamenten ist der Wechsel von vornherein ausgeschlossen, weil sie eine geringe therapeutische Breite besitzen; z. B. bei Schilddrüsenpräparaten. 

Fazit: 

Unsere demografische Entwicklung ist nach meinem Dafürhalten eine sehr komplexe gesellschaftliche Herausforderung. 

Einer der wichtigsten Aspekte ist das dramatisch veränderte Verhältnis zwischen dem schwindenden Anteil von Menschen im Erwerbsalter und der immer größer werdenden Zahl älterer Menschen, die mit dem Alter zunehmend auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Meine Oma ist z. B. 96 Jahre jung und, Stand heute, bester Laune. Erst gestern haben wir wieder Tränen miteinander gelacht, nicht aus Gründen von Schmerzen, sondern voller Freude und Spaß.

 Die Folgen dieser demografischen Entwicklung werden in etwa 10 Jahren verstärkt spürbar werden, wenn nämlich die geburtenstarken Jahrgänge, auch ich komme aus der Zeit der Babyboomer, in das Rentenalter eintreten und geburtenschwache Jahrgänge sollen die Kosten diesbezüglich tragen. Verstärkt wird diese Problematik der demografischen Alterung noch durch einen weiteren Punkt: Ein niedriges Geburtenniveau bei zunehmend längerer Lebenserwartung. Die Zuwanderung aus dem Ausland kann, meiner Meinung nach, die demografische Entwicklung nicht aufhalten.

Fakt ist:

Wegen der sich dramatisch verändernden Bevölkerungsstruktur bedarf es einer sehr verlässlichen zukunftsorientierten Entscheidungsgrundlage für Politik und weiterer Entscheider. Hier müssen Entscheidungen getroffen werden, die alle Generationen unserer Bevölkerung in eine sichere Zukunft begleitet. Allerdings sollten hier parteipolitische sowie persönliche Interessen in den Hintergrund gestellt werden und an das große Ganze gedacht werden. Eine große Aufgabe sowie Herausforderung.

Beste Grüße sendet Ihnen Ihr Andreas Scherff

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